Kinahan‘s wurde 1779 in Dublin in der Trinity Street 12 von Daniel Kinahan und einigen leidenschaftlichen (nicht industriellen) Whiskey-Liebhabern gegründet, um gemeinsam frischen Wind ins Geschehen zu bringen. Die Marke begann ihre epische Saga, eine Reise durch die Zeit und eine Odyssee über Generationen hinweg.
Es ist schon faszinierend, wenn man bedenkt, dass der heute so reiche, aussagekräftige und komplexe, aromatische, gereifte Whiskey einst auf komplett andere Art und Weise gewonnen und genossen wurde. Die Rede ist von Poitin (oder moonshine). Das war damals ein rohes, nicht gelagertes Destillat mit klarer Farbe und unscheinbarem Charakter sowie rustikalem Geschmack. Die Reifelagerung war zu jenem Zeitpunkt noch kein Bestandteil der Produktion und spielte erst recht keine wichtige Rolle wie heutzutage. Die Holzfässer, die man nun für die Lagerung von Irish Whiskey verwendet, hatten mit der ursprünglichen Whiskey-Herstellung nichts zu tun und wurden genutzt, um allerlei Waren wie Lebensmittel oder Metall und Gold aufzubewahren als auch zu transportieren.
Damals kümmerten sich auf der irischen Insel Dutzende kleinere und größerer Fabriken um die Destillation und den Verkauf von Whiskey (oder einem Rohdestillat), und das Team von Kinahan‘s setzte es sich in den Kopf, eigene Wege zu gehen und die Zukunft der Spirituose zu beeinflussen.
Von Pioniergeist und Entschlossenheit erfüllt, kaufte man 1780 großräumige Kellergewölbe in Hamilton Row in Dublin auf, um mit einem komplett neuen Whiskey-Stil zu experimentieren: dem gereiften Whiskey. Die an der Rückseite von Merrion Square 11 errichteten Kellergewölbe entwickelten sich zum Epizentrum der Whiskey-Entwicklung, und Kinahan‘s wurde die weltweit erste Whiskeymarke, die ausschließlich fassgelagerte Whiskeys herstellte und exportierte.
Es ist bei einer beachtlichen Geschichte von mehr als 239 Jahren nicht weiter verwunderlich, dass so manch eine Legende und so manch ein Gerücht seinen Weg in die Fakten zur Entwicklung von Kinahan‘s gefunden haben. Aber die Ursprünge des L.L.-Kennzeichens sind unumstritten dokumentiert.
1807 war Charles Lennox, der Lord Lieutenant of Ireland (und damit das Staatsoberhaupt), so beeindruckt von Kinahan‘s hergestellten gereiften Whiskeys, dass er den Befehl gab, alle Lagerbestände der Kellergewölbe in Dublin sollten ausschließlich für seinen privaten Konsum reserviert werden. In diesem Zuge wurde jedes aufbewahrte Fass mit „L.L.” für Lord Lieutenant markiert. Diese im großen Stil bekannt gemachte Entscheidung führte dazu, dass Kinahan‘s sowohl im nationalen als auch im internationalen Rahmen (in den Nachbarländern) zu einer der gefragtesten Anlaufstellen für gereiften Whiskey wurde.
1819 ermöglichte es die Popularität der Marke Kinahan‘s dem Unternehmen, einen eigenen Firmenstammsitz in einem vierstöckigen Gebäude an der Ecke Burgh Quay und D’Olier Street in Dublin einzurichten. Es wurde Carlisle Building genannt, um auf die nahegelegene Carlisle Brücke anzuspielen, und das Firmengebäude wurde im Zuge der Neugestaltung der Stadt unter der Regie der städtischen Wide Street Commissioners konstruiert.
Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das historische Gebäude jedoch abgerissen. Gegenwärtig befindet sich am selben Standort ein unansehnliches Hochhaus mit dem großen Logo des multinationalen Konzerns "Heineken" auf dem Dach.
Aufgrund der steigenden Popularität von Kinahans machte es Sinn, den Firmensitz nach London zu verlegen, um im 19. Jahrhundert leichter Zugang zum globalen Markt zu erlangen. Am 31. Dezember 1841 stellte Kinahan‘s George Smyth als seinen ersten Londoner Agenten im Betriebsgebäude White Hart Court 1 an.
Mehr als ein halbes Jahrhundert lang stellte das Firmengebäude in London das Zentrum des Exports in den Rest von Europa sowie in Länder wie China, Indien, Australien dar. Dieses Wachstum führte dazu, dass man später alle Exportbranchen und Lagerhallen in die Guildford Street in Lamberth ins damalige County Surrey verlegte.
Während des 19. Jahrhunderts war Kinahan‘s ein Garant für ein hohes Level an Kunstfertigkeit und herrlich andersartigen Genuss. Dafür erhielt der Betrieb 1845 von Königin Viktoria das sogenannte Royal Warrant als royales Siegel, mit dem man zum Hoflieferanten ernannt wurde. Weitere Erfolge und Auszeichnungen trugen dazu bei, dass man fleißig Agenten und Händler sowie Zweigstellen suchte. Ab August 1850 waren die Produkte von Kinahan‘s in allen respektierten Geschäften in London sowie im Rest des Landes erhältlich.
Augrund der Popularität in Großbritannien etablierte sich die Marke Kinahan‘s Whiskey bei so manch einem amerikanischen Autor und Spirituosenkenner. In den 1860er-Jahren wurde der legendäre Jerry Thomas auf sie aufmerksam.
Jerry Thomas war auch unter dem Spitznamen "the father of American mixology" (Vater der amerikanischen Mixologie) bekannt. Der revolutionäre Denker verfügte über Kreativität und geschickte Selbstdarstellung und verhalf Barkeepern zu einem Image der kreativen Professionalität bzw. professionellen Kreativität. In seinem 1862 herausgegebenen "Guide on How to Mix Drinks" erwähnte Jerry Thomas Kinahan‘s als seine bevorzugte Wahl für eines seiner Cocktailrezepte.
Der für Bartender gedachte "Guide on How to Mix Drinks" war das erste in den USA veröffentlichte Buch rund um das Mixen von Drinks und zählt bis heute zu den bedeutendsten Werken dieser Rubrik.
Mehr Popularität brachte für Kinahans leider auch so manches Problem mit sich. Da die Marke so viel Lob bekam, wurden Nachmacher und skrupellose Händler auf sie aufmerksam. Immer mehr klebten kurzerhand die Labels und Markenzeichen von Kinahan‘s auf ihre Produkte oder imitierten die charakteristischen Flaschen für ihre eigenen Spirituosen.
Einige Jahrzehnte lang kämpfte das Unternehmen um den Schutz seiner Marke und Markenzeichen und 1862 gelang endlich ein Durchbruch. Die Aktivitäten von William Bolton, einem Lebensmittelhändler in Dublins Westmoreland Street, ließen Kinahan‘s erneut vor Gericht gehen und verhalfen der Firma zu einem endgültigen Urteil: Das irische Gericht sprach im Fall Kinahan gegen Bolton eine einstweilige Verfügung aus, andere davon abzuhalten, die Kinahan‘s L.L.-Zeichen zu verwenden. Dieses Urteil schaffte einen Präzedenzfall für den weltweit ersten Schutz einer Whiskey-Handelsmarke.
Die Begriffe “Kinahan’s” und “Kinahan’s L.L.” hatten sich bis 1881 zu einem allseits bekannten Inbegriff von irischem Whiskey mit dem gewissen Etwas entwickelt und standen für ein besonderes Preis-Leistungs-Verhältnis, hohe Qualität sowie einen ausgezeichneten Ruf. Ein Beweis hierfür findet sich in der 1881er-Ausgabe des „Brewer’s Dictionary of Phrases and Fables“, in dem der Ursprung des L.L.-Zeichens erläutert wird. Eben jener Bekanntheitsgrad führte über kurz oder lang dazu, dass der Markenname Kinahan‘s in den Büchern von etlichen britischen und amerikanischen Autoren erwähnt wurde.
Erst einmal schien es das neue Jahrhundert gut mit der Marke zu meinen. Doch nichts konnte das Unternehmen vor der bevorstehenden Krise bewahren. Eines der bedeutendsten Familienmitglieder, George Kinahan, verstarb 1903 und mit ihm starben auch die lange Verbindung zum Leben in Dublin sowie das Prestige und die Möglichkeiten, die sein soziales Netzwerk geboten hatten. Als der am längsten agierende Direktor verfügte über vieles geheimes Wissen über die Firma sowie Erfahrung, die mit seinem Tod endgültig verloren waren. Zudem verlor man dann durch George Kinahan auch noch die Verbindung zu den Bankiers und Mitgliedern der Jameson-Whiskeyfamilie, da er lange als Bankdirektor bei der Bank of Ireland angestellt war. So betrauerte man den Verlust von George Kinahan als Familienmitglied, auch das Unternehmen musste sich zusätzlich mit der sich verändernden Wirtschaft Irlands und mit den daraus entstehenden Hürden auseinandersetzen. Die Berufsgenossenschaften der Destillateure wurden immer strikter in ihren Regulierungen der Produktion im Vergleich zur hohen Nachfrage und verließen sich auf Manöver wie das Subventionieren von Mitgliedern, um die Wettbewerber mit Preisunterbietungen zu hindern. Zwischen 1900 und 1914 sank der Gesamtexport von Irish Whiskey nach England drastisch. In Irland selbst ging es mit der Produktion und dem Konsum von Whiskey ebenfalls steil bergab, was nicht zuletzt daran lag, dass Lloyd George in seinem Haushaltsplan für 1909 eine Steuererhöhung auf Spirituosen von fast einem Drittel vorschlug.
Im Juni 1911 übergab man die Geschäftstätigkeiten von Kinahan's an Bagot & Hutton, ein weiteres alteingesessenes Unternehmen aus Dublin, das sich schon seit Langem um Wein und Spirituosen kümmerte. Diese Firma war bis zum Eintreten der Prohibition 1920 für das Abfüllen und den Vertrieb von Kinahan's L.L. Whiskey in den USA zuständig.
Im November 1920, im Zuge der Prohibition in den USA, als Folge eines wirtschaftlichen Niedergangs und kurz vor dem Bürgerkrieg in Irland, schlossen sich die zwei Spirituosenhersteller zusammen und ließen sich als Bagot Hutton & Kinahan registrieren. Mit diesem Arrangement war man bis zum Oktober 1988 zufrieden, doch dann entschlossen sich die Anteilseigner dazu, eine lange Pause einzulegen, bis sich die Lage für solche Unterfangen in Dublin bessern würde.
Heute erlebt Kinahan‘s endlich eine wohlverdiente Renaissance. Whiskey-Fans in über 20 Ländern haben die Marke (wieder-) entdeckt und dürfen sich auf ein kontinuierlich wachsendes Sortiment an spannenden Whiskeys des neuen Kinahans-Teams freuen.
Mehr als 90 Jahre nach dem industriellen Niedergang lässt sich das aktuelle Team von der Firmengeschichte und von den Ideen der damaligen Pioniere inspirieren. Es kommen erneut außergewöhnliche Holzarten zum Einsatz und man baut langsam, aber sicher ein neues Inventar an speziellen Fassarten für experimentelle Formen der Reifelagerung auf. Man merkt es den andersartigen Whiskeys in jedem Tropfen Kinahan‘s Whiskey an, was für eine bewegte Geschichte und wie viel Pioniergeist ihnen innewohnt.